Was kann die Regie aus einem Stück machen, das im Jahre 1825 zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. aufgeführt wurde, zu Ehren eines, so lassen uns die Historiker wissen, Ultra, eines reaktionären Bourbonen? Was soll man aus Rossinis „dramma giocoso“ machen, einem „dramma“ mit dünner Handlung, das zum Ausgleich dafür ein Feuerwerk von Arien, Duetten und Ensembleszenen bietet, ein Juwel für die Rossini Verehrer?
Theatermacher Michieletto zaubert aus Rossinis komischer Oper eine Komödie hoch drei, in der ein Gag auf den anderen folgt. Ort und Zeit und Personal, wie sie das Libretto vorgibt, wird nicht etwa eine billige Aktualisierung aufgepfropft. Sie werden einfach neu erfunden. Aus dem Hotel, in dem sich die hohen Herrschaften auf dem Weg nach Reims zur Krönung treffen, wird eine Galerie, die sich auf eine Verkaufsausstellung vorbereitet. Aus den adligen Damen und Herren und ihren dienstbaren Geistern wird eine reisende Truppe von Schauspielern, die sich einen Spaß daraus machen, in der Galerie Portraits und Skulpturen lebendig werden zu lassen, große Gemälde nachzustellen, mit einem Wort: Tableaux Vivants zu spielen. Da geben sie sich nun alle ein Stelldichein: die berühmten Protagonisten eines Velázquez, Goya, van Gogh, Picasso, Magritte, Botero. Selbst Antonio Canova mit seinen drei Grazien fehlt nicht, und diese tanzen ‚graziös‘ zur von der Harfe begleiteten Kavatine. Und auf der zweiten, der ‚realen‘ Ebene da flirten und zanken die Schauspieler, versöhnen sich wieder, streiten von neuem, treten aus den Rollen, konkret: aus den Bilderahmen heraus und gleich wieder hinein, spielen und singen zur Rossini-Musik Operette. Im Finale da werden sie alle scheinbar noch einmal ganz ernst. Da erwartet sie die schwerste Aufgabe. Da stellen sie – und dies gelingt ihnen in perfekter Weise – einen Staatsakt nach: François Gérards Gemälde: Die Krönung Karls X. Ein Gemälde, nein ein Schinken, den die Galerie wohl verscherbeln soll. Und damit schließt sich der Kreis. Aus der Reise zu einem Staatsakt, die schon für Rossini und seinen Librettisten nur zur Komödie tauchte, wird eine Komödie in der Komödie, eine, wenn man so will, kunsthistorische Komödie und zugleich eine modische Persiflage der so eingebildeten Galeristen- Szene.
Und der Musik Part? Auf der Bühne singt und agiert ein brillantes, spielfreudiges Ensemble von Sängerschauspielern, das sich noch dazu selber zu parodieren weiß. Aus dem Graben klingt unter der Leitung von Maestro Stefano Montanari ein Rossini der Extraklasse. Musiktheater vom Feinsten.
Wir sahen die Vorstellung am 3. Februar 2015, die sechste Aufführung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 20. Januar 2015.