An der Nürnberger Oper singt und spielt zurzeit ein ungewöhnlich brillantes Ensemble. Und das gleiche gilt für die Auswahl der Gäste. Eine Beobachtung, die wir schon bei der Arabella, bei den Hugenotten und jetzt wieder bei der Walküre machen konnten. Mit welcher Leidenschaft – oder sagen wir einfach: wie schön, wie beeindruckend sangen und spielten Vincent Wolfsteiner und Ekaterina Godovanets das Wälsungenpaar und versetzten damit gleich im ersten Akt das Publikum in den berüchtigten Wagnerrausch. Wie souverän gaben Vitalij Kowaljow und Daniela Sindram (beide Gäste in Nürnberg) Wotan und Fricka. Wie strahlend sang doch Rachael Tovey die Walküre und schreckte dabei auch vor leichter Selbstironie nicht zurück. – All dies hat das Publikum zu Recht begeistert.
Am großen Erfolg, an der „narkotisierenden Wirkung“, auf die Wagner angeblich immer aus ist, hat natürlich das Orchester großen Anteil. Maestro Bosch, dessen Rheingold Interpretation uns schon fasziniert hatte, verfällt auch bei der Walküre nicht in das traditionelle Wagner Gedröhne. Auch um ein – so schreibt er im Programmheft – „sängerfreundliches Begleiten“ geht es ihm nicht. Für ihn ist die Walküre – und da kann man ihm nur zustimmen – „keine Sinfonie mit Sängerstimmen, sondern ein in Musik erzähltes Drama“. Und entsprechend lässt er das Orchester aufspielen.
Wie schade nur, dass die Inszenierung kaum etwas zur Realisierung dieses „Dramas“ beigetragen hat. Sie setzt, wenn ich das richtig verstanden habe, eher auf den komödiantischen Subtext des Librettos und konterkariert damit das Drama, das sich in der Musik ereignet. Hunding ist ein Altreifenhändler, der im Schlafzimmer seiner Häusle Baustelle zwecks Reinigung sich einen Kübel Wasser überschüttet und dabei Gattin und Gast voll spritzt (Ein kaum versteckter Hinweis für die Freudianer im Publikum?). Wotan ist ein in Zivil gekleideter Oberbefehlshaber, der vom Bunker aus seine Kampfbomber dirigiert, Fricka eine Zicke im Kaufrausch, Brünnhilde reitet mit dem Steckenpferd aus dem Spielzeugladen herein und nascht an Papas Whiskyflasche. Die Walküren sind eine Gang von Girls, die sich mit Kindersoldaten einen Spaß machen. Siegmund wird mit dem Hackebeil erschlagen und bekommt dabei gleich einen ganzen Eimer Theaterblut ab. Zum Glück für die Aufführung hat die Regie im Finale ihre Arbeit einfach eingestellt. Brünnhilde legt sich zum Tiefschlaf auf einen Planwagen, und Wotan singt die Abschiedsszene, ohne von der Regie weiter belästigt zu werden, ergreifend schön von der Rampe.
Das Drama erzählt die Musik, die Emotionen verschafft der Orchesterklang. Die Szene unterhält ein wenig und stört ansonsten nicht weiter.
Ein Vorschlag an die Intendanz: geben Sie Ihre musikalisch und sängerisch doch so gelungene, Ihre so brillante Walküre in der nächsten Spielzeit konzertant. Das hätte auch, da die Verweildauer in Ihrem Hause dann wohl kürzer ist, den Nebeneffekt, dass Sie ihr Publikum nicht mit Suppe und Würstchen füttern müssten und die Würstchenverächter von den Verdauungsgeräuschen ihrer Sitznachbarn verschont blieben. Wie sagte doch noch Mortier: „Ins Musiktheater kommt man nicht zum Verdauen und zum Gähnen“. Und dazu sollten Sie keinen Anlass geben.
Wir sahen die Aufführung am 29. Juni 2014. Die Premiere war am 5. April 2014.