Salzburger Festspiele 2019 – am 7. August Krimi mit Beziehungskiste – Simon Stone inszeniert Luigi Cherubini, Médée

Simon Stone ist ein international gefragter Schauspiel Regisseur und ein erfolgreicher Filmemacher. Mit der Oper hat er’s noch nicht so sehr. So verwundert es nicht, dass in seiner Salzburger Medea die Szene die Musik erschlägt, dass Cherubinis Musik dabei zum eher matten Soundtrack eines großen intermedialen Spektakels wird, bei dem man sich manchmal fragt, ob man ins Kino oder ins Musiktheater gegangen ist. Gleich zur Ouvertüre geht es mit dem Kino los. Im Stil des italienischen Neorealismo wird uns die scheinbar so glückliche (italienische? ) Familie vorgeführt: die Mamma, die die Pasta vorbereitet, die strahlenden Bambini, der Marito, der sich in diesem Ambiente nicht mehr wohl fühlt und sich gleich mit seiner Ragazza auf der Piazza treffen wird, seiner Geliebten, die den gut aussehenden, noch jungen Mann mit der großen Sonnenbrille anhimmelt. Die übliche Variante der Dreiecksgeschichte, in der die Ehefrau den schlechten Part hat und – mit Einsatz der Kinder – vergeblich um den Gatten kämpft, eine konventionelle Geschichte, in der die ragazza gewinnt und die cara sposa abgeschoben wird bzw. huldvoll verzichtet.

Doch wir sind nicht in einer Filmkomödie, sondern in einer Variante des Medea Mythos, und das bringt gewisse Zwänge mit sich. Die Gattin lässt sich nicht so einfach abschieben. Im Gegenteil. Sie flippt vollständig aus. Sie erdolcht die ragazza, die es zur Ehefrau gebracht hat – und deren Papa gleich mit, flieht mit den bambini und bringt diese und sich selber um.

Eine willkommene Gelegenheit für Theatermacher Stone sich als Filmemacher zu betätigen und den Rachefeldzug der verlassenen Ehefrau als Melange aus Krimi, Mafiafilm und Road Movie abzuspulen. Keine Frage, dass dies alles brillant und spannend aufgezogen ist, dass keine Sekunde Langweile oder Überdruss aufkommen, dass keiner im Publikum zur Popcorn Tüte greift. Doch mögen auch Elena Stikhina ln der Titelrolle und Rosa Feola als Ragazza Dircé noch so betörend schön singen, mögen auch die Wiener Philharmoniker wie gewohnt noch so brillant musizieren, was uns da in Salzburg geboten wurde, das ist kein Musiktheater mehr. Hier besteht die Gefahr, dass die Musik zur quantité négligeable wird, eben zum bloßen Soundtrack für ein Regiespektakel reduziert wird. Das hat Cherubinis Musik nicht verdient. Mag sie für den Laien auch hin und wieder epigonal klingen, an Gluck erinnern und nicht unbedingt mit der tödlichen Beziehungskiste, die wir auf der Bühne sehen, harmonieren – mit einer banalisierenden Variante des Medea Mythos.Die Variante, die Simon Stone vorshlägt, nimmt dem Mythos jeglichen Schrecken und jegliche Fallhöhe. Die Medea, wie sie die Regie versteht, ist nichts anderes als eine frustrierte, eine rachsüchtige, selbstzerstörerische Hausfrau, die zur Mörderin wird, weil sie das ‚ Objekt der Begierde‘ nicht festhalten kann. Wie dem auch sei. Wir haben Elena Stikhina gehört, die uns schon in Amsterdam als Butterfly und in Berlin als Tosca fasziniert hat: eine Ausnahmesängerin, ein neuer Star in Salzburg. Und schon deswegen grämt uns die lange Fahrt nicht.