Elias – Aufstieg, Fall und Verklärung eines Fundamentalisten. Calixto Bieito inszeniert im Theater an der Wien Mendelssohn Bartholdy

Sagen wir es gleich. Hier wird keine fromme Geschichte aus dem Alten Testament erzählt – mag die Musik auch ( manchmal)  fromm, süß, romantisch klingen. Hier geht es um einen charismatischen Anführer, um Massenhysterie und religiösen Wahn in der Welt von Heute und nicht zuletzt um den Streit zwischen sich einander ausschließenden Ideologien.

Ganz im Sinne dieser Konzeption kann Ort des Geschehes kein imaginäres Israel des Alten Testaments sein. Schauplatz des Geschehens ist ein mit beweglichen Stahlgittern nach oben, nach hinten und zur Seite hin abgeschlossener Raum, ein Gefängnis, in dem eine sich hysterisch gebende Masse herum rennt , am Boden liegt, den Anführer je nach dramatischer Situation  feiert, bedrängt, ihn erschlagen will, seine Himmelfahrt oder auch seinen Feuertod vorbereitet. Der Anführer, Prophet, Guru, Wundertäter, Regenmacher, Arzt, Objekt der Begierde ist, so wie ihn die Regie konzipiert und wie ihn Christian Gerhaher  gestaltet, zugleich anziehend und abstoßend. Ein gefährliicher Fanatiker, der, als er sieht, wie sein Projekt, sein Versuch, die von ihm vertretene Ideologie als die allein selig machende durchzusetzen, scheitert, sich in den Selbstmord flüchtet und von seinen Anhängern zum Heiligen verklärt wird.

Im Finale greift die Regie die exegetische Tradition des Elias Mythos auf und macht Elias zur Präfiguration Christi, des leidenden Jesus, den Johannes, der Lieblingsjünger, und die Frauen umstehen. Ein Tableau, das die Regie auch gleich wieder konterkariert: der Lieblingsjjünger überschüttet den Meister, der in der Postion des am Kreuze leidenden Jesus verhart, mit Benzin und reicht ihm  das Feuerzeug. Keine Sorge. Elias zündet sich nicht an. Er soll nur markieren, dass der Gott und auch Gottes Mann das Licht symbolisieren, diie konventionelle Metapher für das  Göttliche – und im Hintergrund flattern auf der Videowand Wotans Raben: Nur eines will ich noch – das Ende.

Keine Frage, dass das ganze Bühnengeschehen höchst spektakulär und effektvolli in Szene gesetzt wird, dass die Transponierung der Elias Episoden des Alten Testaments in unsere Welt, dass die Aktualisierung des Propheten  zum religiösen Fanatiker von Heute schlüssig sind, ja, dass sich diese Umdeutung geradezu aufdrängt. Doch auch hier stellt sich wie  bei allen szenischen  Umsetzungen von Oratorien – von eigentlich (?) religiös gemeinten Musikstücken –  stets dieselbe Frage: passen Musik und Szene zusammen? Im Amsterdam  hatten wir zuletzt  Vivaldis Judith Variante als Horrorgeschichte unter  SS- Männern gesehen. Jetzt in Wien erleben wir die Elias Variante als Horrorgeschichte im Milieu von Fundamentalisten.

Natürlich ist das alles machbar. Szenische Umsetzungen von Oratorien  bieten sich bei deren oft dramatischer Grundstruktur geradezu von selber an. Doch man ertappt  sich manchmal wie auch jetzt  wieder in Wien bei dem Gedanken, ob eine konzertante Auffführung  nicht die angemessenere gewesen wäre. Nu ja,  Wer die so brillante Maria Bengtsson und den nicht minder brillanten Christian Gerhaher, die in Wien die Hauptrollen verkörperten, ohne szenischen Aufwand und ohne Ablenkung durch die Inszenierung hören will, der mag sich die entsprechenden CD besorgen. Wie dem auch sei. Der Elias im Theater an der Wien ist ein Ereignis. Exquisites Musiktheater vom Allerfeinsten.

Wir besuchten die Aufführung am 20. Februar. 2019, die dritte Vorstellung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 16. Februar 2019.