Nach dem so grandiosen Don Carlos hat sich die Opéra National wohl in den Winterschlaf zurückgezogen. Wie will man sonst erklären, dass die Intendanz eine so gänzlich abgespielte, konventionell gemachte, langweilige, betagte Produktion aus dem Fundus wieder hervor geholt und ihrem Publikum vorgesetzt hat. „Tutto il mondo è burla“ – sich über sich selber und andere lustig machen, nichts sonderlich ernst nehmen, alles ist doch nur ein Spiel, nichts weiter als Theater, so mögen der greise Verdi und sein Librettist Arrigo Boito wohl gedacht haben, als sie ihren Falstaff konzipierten und realisierten. Doch dass auch die Direktion eines renommierten Hauses sich über sich selbst und vor allem über ihr Publikum lustig machen wollte, als sie diese nicht von „des Gedankens Blässe angekränkelte“ Inszenierung wieder ins Programm nahm, das hätte ich nicht erwartet.
Was da auf der Szene im antiquierten Einheitsbühnenbild, einem Vorplatz vor einer viktorianischen Häuserzeile, zu sehen ist, wie die Darsteller in Kostümen der Belle Époque hölzern chargieren, verzweifelt auf komisch machen, das ist, wie man in München sagen würde, ein ärgerlicher Schmarren. Immerhin hat der Ausstatter etwas für die Fans von Oldtimern übrig und hat vor die Häuserzeile ein Automobil aus den Anfangszeiten der Autoindustrie gestellt. Das schöne Requisit hat darüber auch einen praktischen Zweck. Man kann sich dahinter verstecken und die anderen bei ihren Intrigen belauschen, und das junge Liebespaar kann damit in den Zauberwald fahren. Pardon, den gibt’s ja bei dem Einheitsbühnenbild gar nicht. Doch, ein bisschen Zauber muss schon sein. Und für den sorgen der Beleuchter – er dämmt einfach das Licht – und die Videoabteilung. Sie blendet einfach ein paar Bäumchen auf die Häuserzeile.
Doch sind wir nicht so streng. Dem Publikum, wenn es nicht gerade lautstark gähnte wie die Dame neben mir, hat es gefallen, zumal man ja auch ein paar Stars der internationalen Opernszene eingeflogen hatte: Franco Vassallo macht den eifersüchtigen Ehemann und darf alle Klischees der Rolle abspielen, Aleksandra Kurzak als die ein kleines Abenteuer suchende Ehefrau flirtet keusch mit dem aufgeblasenen Falstaff, Julie Fuchs spielt Nannetta, das raffinierte Gänschen, und last not least Bryn Terfel macht routiniert den Falstaff. Doch ob dies die ideale Rolle für ihn ist? Er sollte doch lieber beim Holländer, beim Baron Scarpia, beim Méphitoféles bleiben. Die Geheimnisvollen und die Bösewichter nimmt man ihm eher ab als die Altersweisheit und Altersgeilheit eines herunter gekommenen einstmals besseren Herrn.
Diese Falstaff Aufführung, wie sie uns da in der Bastille Oper geboten wurde, hinterlässt einen schalen Geschmack. Oder frei nach Wagners Hans Sachs: ‚Staub, Staub! Überall Staub! Wohin ich forschend blick‘.
Wir besuchten die Vorstellung am 10. November 2017. Es war laut Programmheft die 31. Aufführung in dieser Inszenierung.
Der Falstaff war übrigens der zweite Flop in der Bastille Oper in dieser Saison. Über die altväterliche Nachmittagsvorstellung von La Veuve Joyeuse, die wir Mitte Oktober gesehen haben, breiten wir besser den Mantel des Schweigens. „Allein, was tut’s“. Dem Publikum ….siehe oben.