Vor nunmehr drei Jahren begann man in einer armen und ärmlichen Stadt, die einmal eine Residenz und dann eine Industriestadt war und heute vom Ruhm der Bauhauskünstler zehrt, ein ehrgeiziges Ringprojekt. Wir hatten Gelegenheit, alle vier Teile des Dessauer Rings zu erleben. Die anfängliche Skepsis („Wagner in der tiefen östlichen Provinz. Geht denn das?“) erwies sich sehr schnell als ein völlig unberechtigtes Vorurteil. In Dessau ist – wie sich jetzt beim Rheingold wieder zeigte – eine in Szene und Musik höchst gelungener Ring zu sehen und zu hören. Maestro Antony Hermus setzt nicht auf den ‚rauschhaften‘, sondern eher auf einen zurückhaltenden Wagner, dem alles Gedröhne fern liegt, der mit Sanftheit sein Publikum gefangen nimmt. Ähnlich wie das Orchester brilliert auch das Ensemble. Alle Rollen sind durchweg hervorragend besetzt, und auf der Bühne ereignet sich von der Götterdämmerung bis hin zum Rheingold immer wieder ein grandioses Spektakel: eine Hommage an die Bauhauskünstler mit ihren Farben und Figuren und im Besonderen eine Hommage an die Bühnenexperimente eines Oskar Schlemmer und an dessen Triadisches Ballett.
In Dessau begnügt man sich nicht damit, die Stadtgötter zu zitieren und zu variieren. Hinzu kommen Verweise auf die Ästhetik eines Bob Wilson, auf das Marionettentheater, auf die Cyberwelt, auf die Welt des Films und ganz allgemein auf die Welt und die Macht der Medien (Der Interessierte findet Näheres hierzu in unseren Bemerkungen zur Götterdämmerung, zum Siegfried und zur Walküre). Im Rheingold konzentriert sich die Regie auf die Macht der Bilder. Das Rheingold, das Alberich stiehlt und das die Götter ihm rauben, ist weder Gold noch Geld. Das Kapital sind die Highlights der Kunstgeschichte und der Filmindustrie. Der Schatz, mit dem sich der Riese Fafner davon macht, sind Filmrollen. In Alberichs Reich schürfen seine Slaven nicht nach Gold. Sie entwerfen Bilder. Konsequenterweise ist Alberich dann eine Art Zuchtmeister, der eine Schulklasse zum Entwerfen und zum Malen zwingt. Wer über die Bilder, über die Propagandamaschine, über die Medien verfügt, beherrscht die Welt. Warum nicht. Eine scheinbar banale, doch nichts desto trotz eine schlüssige Deutung des „Vorabend des Bühnenfestspiels“.
Wir sahen die Aufführung am 21. Februar 2015. Die Premiere war am 30. Januar 2015.