Tannhäuser mit Ballett und „Ausdruckstanz“ und mit Erotik aus dem Orchestergraben in der Staatsoper im Schiller Theater

Es muss ja nicht immer ein Tannhäuser gegen den Strich sein – ohne Erlösung und mit Selbstmord oder ein Tannhäuser als scheiternder Künstler mit Notenblättern unter dem Arm oder ein Tannhäuser, der von Albträumen und Wahnvorstellungen gequält wird oder ein Tannhäuser als Outlaw im Bordell der braven Bürger oder ein Tannhäuser, der mit Frau Venus eine schwarze Messe feiert und im Hospiz zu Charenton endet – und was es da sonst noch an Deutungsmöglichkeiten gibt.

An der Staatsoper im Schillertheater, wo die Choreographin Sasha Waltz Regie und Ausstattung des neuen Tannhäusers verantwortet, hat man sich für die einfachste Lösung entschieden. Ohne ideologischen Anspruch, ohne Weltverbesserungsabsicht, ohne zwanghaftes Suchen nach Originalität hält man sich einfach an das, was im Libretto steht und ergänzt Musik und Libretto mit Tanz, mit Ausdruckstanz und schafft so eine dritte Dimension. Eine durchaus gelungene Lösung – ganz wie man sie von eine Choreographin erwartet. Warum  ein Teil des Publikums lautstark sein Missfallen über die Inszenierung kundtun musste, kann ich nicht nachvollziehen. Wer lieber einen spektakulären  Tannhäuser sehen möchte, der sollte halt nach Dresden zu Konwitschnys oder nach Wien zu Guths Inszenierung fahren. Dort wird ihm  beide Male ein Tannhäuser A rebours geboten.

Was im Schillertheater auf der Szene geboten wurde – sieht man einmal von den eher peinlichen erotischen  Bodenturnübungen ab, die die Tanzgruppe zum Pariser Bacchanal in einer Art aufgewölbter Muschel absolvierte, sieht man von dieser missglückten Introduktion einmal ab, dann waren alle Ausdruckstänze einfach nur schön. Ganz gleich ob die Tanzgruppe nun Pilger, Jagdgenossen, eine junge Festgesellschaft spielte und tanzte und dabei eben Gesang und Text und Orchesterklang in Gestik und Bewegung umsetzte, all dies war alle Male überzeugend, ansprechend, einfach schön anzusehen.

Doch beim Berliner Tannhäuser steht nicht die Inszenierung im Zentrum. Ganz im Gegenteil. Orchesterklang und Gesang dominieren. Ich bin nicht unbedingt ein Barenboim Fan. Doch wie der Maestro mit der Staatskapelle an diesem Abend die glitzernde Erotik der Tannhäuser Musik hervorzauberte, das war schon höchst beeindruckend. Und wie Peter Seiffert, der nun fürwahr kein Jüngling mehr ist, bis in die letzte Szene hinein einen brillanten, makellosen Tannhäuser sang, das war nicht minder beeindruckend. Keine Frage: ein großer Opernabend in der Staatsoper.

Wir sahen die Aufführung am 27. April 2004, die vierte Vorstellung. Die Premiere war am 12. April 2004.

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