Mit dem Salzburger Landestheater habe ich kein Glück. Viermal war ich in den letzten Jahren dort – wohl gemerkt in der Festspielzeit. Zweimal habe ich mich so geärgert, dass ich meine gute Erziehung vergessen und gebuht habe. Zweimal bin ich in der Pause gegangen- um nicht vor lauter Langeweile dahinzusterben –, und beide Male stammten die Inszenierungen von renommierten Theatermachern. Eine davon sogar von einer Dame, die kurz vor ihrer Kanonisierung zur Heiligen der Theaterkritiker stand und steht.
Jetzt beim fünften Mal bin ich zu einer ganz normalen Vorstellung des Landestheaters gegangen, zur zweiten Aufführung von Händels Ariodante. Und jetzt bin ich sicher, dass ich diesen Musentempel nie mehr betreten werde. Zwar spielte das Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Christian Curnyn einen schwungvollen Händel und verfiel nie in diese müde Melancholie, in dieses einschläfernde Piano, mit denen so mancher Maestro Händel zu zelebrieren pflegt. Aber alles andere? Die Solisten? Ich kritisiere keine Sänger. Ich sage nur: ich habe die berühmten Arien etwas anders in Erinnerung. Und die Inszenierung? Der für Inszenierung und Bühne Verantwortliche, ein altgedienter Theatermann, erinnerte sich wohl seiner eigenen Sturm- und Drangzeit und wollte wohl eine Berliner Kommune oder eine Schwabinger WG aus den späten 60er Jahren nachstellen: wir sind ja so tolerant und trinken nur Milch und Whisky, und der bekiffte Papi, mag er es auch mit dem Töchterchen treiben (er zahlt wohl die Miete?), wohnt auch bei uns. Doch um die Weiber, da hauen wir uns trotzdem. Eine in ihrer Nostalgie geradezu rührende Konzeption.
Ja, warum soll man eine opera seria nicht auch mal in eine Wohngemeinschaft transferieren. Da lassen wir die gerade nicht eine lange Arie singenden Akteure ihr Müsli verschlingen, Whisky und Dosenbier saufen, die Treppe rauf und runter rennen, mit Puppen spielen, mit Dartpfeilen werfen, sich auf der Couch lümmeln, sich mit Sonnenöl einschmieren. Und als Ginevra im zweiten Akt ihren Wahnsinnsanfall kriegt, da bringt sie sie alle um: der Säufer von Schwager kriegt eine Flasche auf den Kopf, der sündige Papa das Objekt der Sünde abgeschnitten, der Intrigant das Messer in den Bauch, das Hausmädchen, für Intrigen, Getränkenachschub und sexuelle Bedürfnisse zuständig, wird erstickt. Eine Krimigroteske, die zweifellos der szenische Höhepunkt der Inszenierung ist. Im dritten Akt kommt der kleine Ariodante wieder, dieser Softy, der eigentlich niemandem weh tun und manchmal sogar sehr schön singen kann: – „und es war alles, alles gut!“. Nein, nicht so wie bei Eichendorff. Nein, es war alles, alles triste. Ein verlorener Abend in Salzburg. Es war nicht der erste.
Wir sahen die Vorstellung am 28. April. Die Premiere war am 26. April 2013.