Gaza gestern, heute, morgen. Die Parabel von Aufstieg und Fall des Staates Israel. Eine beklemmende Samson und Dalila Inszenierung am Staatstheater Nürnberg

Gaza gestern, heute, morgen. Die Parabel von Aufstieg und Fall des Staates Israel. Eine beklemmende Samson und Dalila Inszenierung am Staatstheater Nürnberg

Von tumben Kraftmeiern und besessenen Femmes fatales will Regisseur Mouchtar-Samorai nichts mehr wissen. Und noch weniger interessiert ihn die Erzählung vom bärenstarken Hebräer Samson und  der verführerischen Philisterin Dalila, wie sie sich im Alten Testament, im Buch der Richter, findet. Diese Varianten des Dalila Mythos gehören für ihn offensichtlich auf den Müllhaufen der Literaturgeschichte. Aktuell indes wie eh und je ist der ewige Nahostkonflikt. Mögen die Kontrahenten nun biblisch Philister und Hebräer oder politisch aktuell Israelis und Palästinenser heißen. Und in diesen aktuellen Konflikt fügt sich für die Regie die Geschichte von Dalila und Samson, eine Variante des Mythos, die sich mit der Geschichte von Aufstieg und Hybris und der Vision vom Untergang des Staates Israel verbindet, der mit seinem Fall die gesamte Region in die Katastrophe reißt. Ganz im Sinne dieser Konzeption ist der junge Samson der charismatische Anführer der Israelis  bei der Gründung des Staates im Kampf gegen die Palästinenser und bei deren Vertreibung. Und nicht minder konsequent  im Sinne der Regiekonzeption ist es, dass der Kriegsheld ( und wohl mit ihm auch sein ‚Volk’) nach dem Sieg über die Palästinenser der Hybris und der Arroganz verfallen, im Nightclub sich über die Orientalen amüsieren, Samson zum gelangweilten Latinlover degeneriert und so ein leichtes Opfer der Nachtclubsängerin und palästinensischen Agentin Dalila wird. Die moralisierende Parabel mit Thriller Einlagen, wie sie die ersten beiden Akte bestimmt, weitet sich im dritten Akt zur apokalyptischen Vision: mit der Gefangennahme seines ‚Kriegshelden’  ist Israel vernichtet: Samson bleibt allein  zurück und beklagt sein Geschick. Reste des Volkes klagen aus der Ferne. Gefangene tanzen beim Siegesfest der Palästinenser in Schweinsmasken. Samson, nunmehr Objekt des Spotts und der Verachtung der vermeintlichen Sieger, der in der biblischen Variante im Selbstmord  die Tempel der Philister zum Einsturz bringt und Tausende mit sich in den Tod reißt, entscheidet sich in der aktuellen Variante des Mythos für den „Samsons Choise“: „Samsons Wahl, das ist der Name der israelischen Atombombe. Israels letzte Wahl, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, die Zerstörung […]“ (David Mouchtar-Samorai). Eine Variante des Mythos von Samson und Dalila  wie sie  beklemmender nicht  sein könnte – eine Variante, die allerdings nicht unbedingt im Einklang mit der Musik steht,  einer oft betörend girrenden  Musik, die allenfalls bei  den choralähnlichen Klagegesängen der Regiekonzeption entgegen kommt. Ansonsten ‚Regietheater’ im besten Sinne des Wortes. Wir sahen die Vorstellung am 29. März. Die Premiere war am 15. Januar 2011.