Ich mag diese ‚minimalistische‘, diese ‚ripetive‘, diese sich gleichsam in unendlichen Schleifen um sich selber drehende Musik eines Philip Glass, eine Musik zum sanften Narkotisieren. Heute bei der Gandhi-Oper ist mir indes zum ersten Mal der Verdacht gekommen, dass diese Musik, die es geradezu darauf anlegt, das Bewusstsein einzuschläfern, sich hervorragend für Propagandazwecke eignet. Sie lullt ein und verkündet mit ihren ständigen Wiederholungen eine Botschaft. Welche nur?
Die Inszenierung, eine Mélange aus Oper, Oratorium und Tanztheater, mit ihren ständigen Massenaufmärschen, ihrer kritiklosen, jeden Anflug von Ironie oder Parodie verneinenden Herausstellung eines Charismatikers gibt die Antwort. Sagen wir doch statt Charismatiker Guru oder ‚Führer‘ – und die Antwort ist noch klarer: Musik und Inszenierung sind Faschismus pur im italienischen Sinne. Dieser so sanfte Gandhi-Duce wird von Frauen umsorgt und umschwärmt und von einem Kapitalisten finanziert und im Finale, vor der Pause, mit einem Fackelzug gefeiert. Da bin ich gegangen. „Zu viel. Zu viel!“
Man verstehe mich nicht falsch. Ich unterstelle Komponisten und Produktionsteam keinen latenten Faschismus. Aber er kam herüber – wohl ungewollt. Sagen wir einfach: was da aus dem Graben tönte und was da auf der Bühne veranstaltet wurde, das war eine Propaganda-Show, die gefährliche Glorifizierung eines Guru, eines ‚Führers‘.
Vielleicht wurde ja nach der Pause alles anders.Vielleicht wäre ich im zweiten Teil eines Besseren belehrt worden. Doch ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Dieser Gandhi-Duce als Postfiguration eines Christus, der sich von den Massen schlagen, herumstoßen und dann wieder feiern lässt…, und das Ganze zieht sich über drei Stunden hin. „Zu viel. Zu viel“.
Ich gehe gerne und oft in die Komische Oper. Seit Barrie Kosky dort Prinzipal ist, wird in diesem Hause grandioses Theater gemacht, Musiktheater der Spitzenklasse. Doch mit Verlaub gesagt, dieser Gandhi war ein Flop – zumindest für mich. Dem Publikum hat’s gefallen. Das Tanztheater? Das Libretto kann es kaum gewesen sein. Gesungen wurde in Sanskrit.
Wir besuchten die Vorstellung am 2. November 2017, die dritte Vorstellung seit der Premiere am 27. Oktober 2017.