Im Nachtklub in Oslo oder Penelopes Albtraum vor der Hochzeitsnacht. Il ritorno d’Ulisse in patria bei den Innsbrucker Festwochen der alten Musik

Nein, so richtig weg war Captain Ulisse wohl gar nicht. In der Produktion der Norske Opera Oslo, die die diesjährigen Innsbrucker Festwochen übernommen haben, ist Ulisse (oder war das Hans Albers?) erst gar nicht losgefahren. Nach einer wilden Nacht mit seiner Freundin Mi (bei Monteverdi eine gewisse Minerva) ist er wohl  bei seiner Hochzeitsfeier mit einer etwas altjüngferlich wirkenden Dame (bei Monteverdi Penelope) volltrunken unter den Tisch gefallen und schläft seinen Rausch aus. Pene und die Hochzeitsgäste sind auch schon eingeschlafen, träumen wohl – so will es die Regie – von den einschlägigen Kapiteln der Odyssee und möchten sie gerne nachspielen. Praktischerweise verfügt die etwas herunter gekommene  Kneipe, in der man Hochzeit feiert, über eine kleine Bühne. Und so macht sich denn die Osloer Laienspielschar ans Werk. Der Wirt und seine Sippe übernehmen die Rollen der Götter, der rachsüchtige Oberkellner, den keiner mag, muss sich mit dem Part des Neptuns begnügen. Die drei reichen Stenzen, die es sich in der Kneipe gut gehen lassen, machen die Freier, der Captain, der unter dem Tisch hervor kriecht, mimt den Ulisse,  die Braut die auf die Rückkehr des Helden wartende Penelope.

Eine unterhaltsame, wenn auch nicht sonderlich originelle Regiekonzeption.  Theater auf dem Theater – diesen Kunstgriff kennen wir alle im Publikum. Dass jeder Mythos eine Vielzahl von Varianten produzieren kann, auch dies ist inzwischen Allgemeingut. Ja, warum soll man die Heimkehr des Odysseus nicht  in einer Osloer Kneipe spielen lassen und sie als etwas schwerfällige nordische Seefahrer-Komödie in Szene setzen.

So ganz überzeugt von seiner Grundkonzeption mag Theatermacher Ole Anders Tandberg wohl nicht  gewesen zu sein. Und so hat er  seine Komödie mit ein paar Zutaten aus anderen Bereichen aufzupäppeln versucht: ein bisschen Traumdiskurs als Einstieg, ein bisschen Parodie der Bukolik (Minerva tritt als bayerischer Bub in Lederhosen auf), ein bisschen Musical ( die Freier mimen tanzende Leichtmatrosen), ein bisschen ‚Szenen einer Ehe‘: ein verkaterter Ulisse verschwindet mit seiner Penelope, nachdem sie ihr finales Liebesduett abgeliefert haben, über den Notausgang in eine neblige Osloer-Nacht. Passt diese Inszenierungskonzeption zu Monteverdis Musik? Hat die Regie gegen die Musik gearbeitet? Ich weiß es nicht.

Und die Musik wie sie Alessandro Marchi mit der Academia Montis Regalis zelebriert? Zu der ehrgeizigen Innsbrucker Fassung, die Maestro Marchi hergestellt hat, erlaube ich mir  als Laie kein Urteil. Nur eine Bemerkung. Wir hatten Ende Juli Gelegenheit, in Salzburg L’incoronazione di Poppea in einer konzertanten Aufführung mit Eliot Gardiner zu hören. Soll ich jetzt sagen, dass mich der Salzburger Monteverdi mehr fasziniert hat als jetzt der Innsbrucker? Ich weiß es nicht.

Ein Flop war diese Oslo-Innsbruck Produktion sicherlich nicht. Was wir da bei den Festwochen gesehen haben, das war handwerklich gut  gemachtes Stadttheater, manchmal ein bisschen unterhaltsam, manchmal ein bisschen langweilig, manchmal – in der Musik – höchst brillant. Doch bei Festspielen erwartet man eigentlich ein bisschen mehr als das Übliche.

Wir besuchten die Aufführung am 10. August 2017.