Mit Diana Damrau in der Titelrolle, mit Pavol Breslik als Edgardo und Dalibor Jenis als Enrico präsentiert die Bayerische Staatsoper eine Lucia di Lammermoor der Spitzenklasse, Opernkulinarik vom Allerfeinsten. Da ist alles perfekt, alles grandios, da gibt es nichts zu bekritteln. Wenn die Operndiva die Wahnsinnsszene singt und gestaltet und wenn Edgardo von der „bell’alma innamorata“ todessüchtig schwärmt, dann gerät das Publikum geradezu aus dem Häuschen. „Orgasmus in der Opernloge“ nannte ein Kritiker einmal diesen vom perfekten Belcanto verursachten Zustand – und da hat er wohl Recht.
Wir im Publikum lieben halt alle den Opernkitsch, diese Geschichten von Herz und Schmerz, von Liebe und Tod, bösen Buben, leidenschaftlichen Geliebten und törichten Liebhabern. Vielleicht weil wir alle ein bisschen von Emma Bovary und ihren Schwärmereien angesteckt sind. Ist doch die Lucia, so wissen es die Dramaturgen – und wir im Publikum wissen es inzwischen auch – die Lieblingsoper der Emma und ihrer unzähligen Wiedergänger beiderlei Geschlechts.
Bei so viel Herz und Schmerz, Lust und Leid, wie sie Orchesterklang und Gesang so gefühlsselig, so kalkuliert gefühlsselig, transponieren, da mag auch die Regie der Barbara Wysocka nicht zurückstehen und setzt gleich noch eins drauf. Von Walter Scott, schottischer Romantik und schottischen Machtspielen, von Tätern und Opfern aus ferner Zeit will sie nichts wissen. So verlegt sie Personen und Handlung in die populäre Hollywood Traumwelt der 50er Jahre. Und so wird denn aus der armen Lucia in Kostüm und Haartracht Grace Kelley und aus dem törichten Draufgänger Edgardo eine James Dean Reinkarnation und aus dem bösen Bruder Enrico in Kostüm und Maske ein Gangster Boss, wie wir sie aus den einschlägigen Filmen kennen. In diesem Kontext ist es nur konsequent, dass Edgardo alias James im offenen Cadillac zum Rendezvous vorfährt und den Wagen rückwärts in den heruntergekommenen Empfangssaal Enricos setzt und im dritten Akt (nein, wohl in der Pause zwischen zweitem und drittem Akt) den Cadillac gleichsam als Vorspiel zum Selbstmord gegen die Wand fährt. Nicht minder konsequent ist es, dass Lucia in der Wahnsinnsszene die Hochzeitsgesellschaft mit dem Revolver in Schach hält und Edgardo sich im Finale nicht konventionell romantisch ersticht, sondern sich, wie es sich wohl für einen Hollywood Helden gehört, erschießt.
Belcanto und Orchesterklang aus der Traumwelt der Romantik, Personen und Geschehen aus der Traumfabrik Hollywood. Träumen wir weiter.
Wir sahen die Aufführung am 25. Juli 2015. Die Premiere war am 26. Januar 2015