Es muss nicht immer Wien, Berlin oder Paris sein. Auch in manch deutscher ‚Provinzstadt` versteht man sich auf Wagner. Auch in mittelgroßen Häusern wie eben in Karlsruhe weiß man den ‚Ring zu schmieden‘. Jetzt über die Osterfeiertage wurde dort der in den Jahren 2004 bis 2006 erarbeitete Ring noch einmal, „zum letzten Male“ gezeigt – in einer fulminanten Aufführung, die zu Recht vom Publikum stürmisch gefeiert wurde. Wir hatten vor ein paar Jahren schon die Walküre aus dem Karlsruher Ring Zyklus gesehen. Schon damals hatten uns der rauschhafte Wagnerklang, den Maestro Justin Brown mit der Badischen Staatskapelle hervor zu zaubern wusste, die hochkarätigen Sänger, die in Karlsruhe singen und agieren, die Inszenierung mit ihren Neubayreuther Verweisen und ihren ironisch gebrochenen Altbayreuther Referenzen begeistert. Eine Begeisterung, die jetzt, wo wir den gesamten Karlsruher Ring gesehen haben, nicht geringer geworden ist. Es ist einfach bewundernswert, wie Lance Ryan – schon vom Äußeren her ein hoch gewachsener athletischer Siegfried Typ – mit nimmermüder Kraft und Ausdauer und dazu noch mit sanften leisen Lyrismen die Figuren des Sigmund und der beiden Siegfriede gestaltet oder mit welcher Bühnenpräsenz Thomas J. Mayer den Walküre Wotan singt und spielt oder wie souverän Caroline Whisnant trotz all der der Behinderungen durch die schwere Altbayreuther Kostümierung alle drei Walküren singt. Auch das übrige Ensemble ließ kaum Wünsche offen. Und der Orchesterklang? Rauschhafter Wagner Sound, der frei nach Nietzsche die stärksten Stiere umwirft. Die Feuilletonkritiker, die vor Jahren die Premieren gesehen haben, werden wohl an dem einen oder anderen herumgemäkelt haben. „Allein was tut’s“. Ich habe in Karlsruhe einen fulminanten Ring gehört. Der Dilettantin hat es gefallen. Es hat ihr – welch ein Sakrileg – sogar besser gefallen als in Paris und Berlin, wo sie unlängst den Siegfried bzw. die Walküre gesehen hat. Nicht nur der musikalische Part auch die Inszenierung beeindruckt. Denis Krief, der für „Regie, Bühne und Kostüme“ verantwortlich zeichnet, verzichtet auf alle Anleihen beim Dekorationstheater, bei der Grand Opéra oder beim ‚Maschinentheater‘ (einer Vorliebe, die – so war es am Montag in der FAZ zu lesen – Lepage gerade bei seiner Produktion der Walküre in der Met gefrönt hat). In Karlsruhe genügen die Drehbühne, ein Holzgerüst, das Schmiede, Wald, Drachenhöhle sein kann, ein kleines Podest als Felsen der Walküre, spielerisch eingesetzte Hologramme für des „Rheines Tiefe“ und das Rheingold, für den Feuerzauber oder Siegfrieds Rheinfahrt oder für das Seil der Nornen. Ein Minimalismus, der wohl den Neubayreuther Stil implizit zitiert, ihn aber auch wieder zurücknimmt und implizit Altbayreuth zitiert, wenn er die Walküren in schwere lange Kostüme kleidet, ihnen turmhelmartige Frisuren verpasst oder Alberich in eine braune Mönchskutte kleidet und den Wotan der Walküre in ein ähnliches Kostüm steckt. Spektakulär ist das Finale, das gegen die gängigen Erwartungen nicht als erlösendes Ende und Neubeginn in Feuer und Wasser inszeniert wird, sondern als Endlosschleife, als ewige Wiederkehr des Gleichen. Die Drehbühne wird zum Karussell, in dem Götter und Walküren zu Mumien, zu in sich verfallenden Mumien geworden sind. Nur die Rheintöchter und Alberich sind geblieben. Und das ewig gleiche Spiel um Macht und Gier, Lust und Leid wird von Neuem beginnen. Wir sahen den Ring Zyklus in den Vorstellungen vom 20. Bis zum 25. April.